Bär Bruno in den Medien

Am 20.5.2006 betrat JJ1, der Bär Bruno, das erste Mal Bayern und wurde am 26.6.2006 im Rotwandgebiet erlegt. Die Bachelorarbeit von Helena Löffler untersuchte inhaltsanalytisch die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung und des Miesbacher Merkurs im Zeitraum vom 18. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2006. Dabei standen folgende Forschungsfragen im Vordergrund:

  • Wie wird über den Bären in den Medien berichtet. Welche Eigenschaften werden dem Bären von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zugeschrieben?
  • Welche Einstellung haben unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zu Bären in Bayern?

Im Folgenden werden Auszüge aus der Bachlorarbeit gegeben:

Der Bär als Symbol/Bärenbilder

Als was wird der Bär bei uns gesehen? Ist er kuschelig weich oder vielleicht doch eher grausam und gefährlich? Einen Bären wird man im Allgemeinen den Wildtieren zuordnen. „Aber was ist eigentlich ein Wildtier? Ist ein Wildtier ein Tier, das in Freiheit und Unhabhängigkeit vom Menschen lebt? Aber wahrscheinlich ist jeder damit einverstanden einen gewöhnlichen Regenwurm nicht als Wildtier gelten zu lassen. Eine Definition ist hier also schwierig. Wildnis ist kein naturwissenschaftlicher Begriff sondern ein kultureller Begriff, der sich mit der Zeit ändert“ (ERLITZER, RUFF, TREPL und VICENZOTTI 2005).

Doch auch innerhalb einer Zeit ändert sich der Begriff der Wildnis und des „wild seins“ in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Folglich lässt sich der Bär auch nicht eindeutig einem der „Typen von wilden Tieren“ die ERLITZER, RUFF, TREPL und VICENZOTTI in ihrem Artikel entwerfen, zuordnen. Vielmehr muss auch auf die verschiedenen Hintergründe unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen eingegangen werden. Im Folgenden wird erläutert, als welche verschiedenen Symbole sich der Bär in der Bevölkerung darstellt.

Der Bär als Teddy

Ein Bär ist hier ein liebes Tier, das es auf keinen Fall verdient getötet zu werden. Wer es doch tut ist ein feiger Mörder. Die Leute die ihn verfolgen um ihn zu schießen sind Menschen ohne Herz, die die Schönheit und Freundlichkeit des Bären nicht erkennen können. Daher wäre der Bär in einem Tiergarten gut aufgehoben, da dort die Bevölkerung in Ruhe seine Schönheit betrachten könnte und ihm dort niemand etwas antun könnte. Er wäre dort endlich sicher vor den Jägern. Es wird nach Möglichkeiten gesucht „wo der Bär sicher vor den Menschen untergebracht werden kann“ (MM 23.05.06.) Auch wird nicht darauf hingewiesen, dass dieses Tier einen Schaden anrichten könnte, da Teddybären das ja bekanntlich bestimmt nicht können. Die Worte „gefährlich“ und „grausam“ tauchen in den Beschreibungen folglich nicht auf. Vielmehr wird dem Bär oft eine freundliche Gesinnung unterstellt. Er wird außerdem als besonders tollpatschig dargestellt („der Bär tapst“ anstatt zu gehen/laufen). Schafe reißen ist hier keine blutige Tat, sondern höchstenfalls ein „Versehen“ des Bären. Er hat es nicht so gewollt, nur seine Intelligenz hat nicht ausgereicht, den Fehler zu erkennen. Seine Eigenschaften und Tätigkeiten sind oft stark vermenschlicht und tragen so zum Bild des Bären als harmloser, freundlicher, für die Menschen ungefährlicher Teddy bei.

Ankerbeispiele:

  • MM 29.06.07 (Bierschutz ist Bayern wichtiger als Tierschutz): „Gefahren gehen auch von einem Pferd aus.“
  • MM 23.06.07 (Der Bär ist doch ein nettes Kerlchen): „Der Bär ist doch ein nettes Kerlchen. (…) Der Zottelbär gehört auch zur Natur.“

Beispiele für die Darstellung des Bären als Teddy (Trennkriterien):

  • Namen und Bezeichnungen: Zottelbär, Knuddelbär, Meister Petz, lieber Bär
  • Tätigkeiten (oft stark vermenschlicht): bummeln, tapsen, sich trollen, stapfen, brummen, frühstücken, …
  • Eigenschaften (oft stark vermenschlicht): süß, zottelig, pelzig, arm, traurig, einsam, freundlich, tollpatschig 

Der Bär als scheues Wildtier

Wenn der Bär als scheues Wildtier gesehen wird, wird besonders oft darauf hingewiesen, dass er sich „in freier Wildbahn“ aufhält. Er ist außerdem ein seltenes Tier, das geschützt werden sollte. Er ist „der erste freilaufende Bär in Deutschland seit 170 Jahren“ (MM 18.05.06) Wenn er ein Schaf reißt dann einzig und allein aus dem Grund, dass er Hunger hat. Er will niemandem etwas antun und er ist keineswegs aggressiv. Er beabsichtigt keinesfalls ein Zusammentreffen mit Mensch oder anderen Tieren. Er ist „keine Gefahr für den Menschen, der Bär ist eigentlich ein sehr scheues Tier“. (…) „Normalerweise schrecken Bären vor … Öffentlichkeit zurück, leben teilweise monatelang in Wäldern, ohne jemals einem Menschen zu begegnen“ (MM 18.05.06). Er hat Angst vor den Menschen, und ins Besondere vor den Jägern, die ihn „scheuchen“ und „hetzen“ während der Bär unermüdlich das Weite sucht. Er entkommt den Jägern immer wieder, weil er ein Künstler im Verstecken und Davonlaufen ist, nicht etwa weil es gefährlich ist, sich nahe genug an ihn heran zu wagen.

Der Bär ist weder nett und freundlich noch böse, er versucht lediglich sein Leben zu leben, ohne dabei gestört zu werden. Er braucht große Rückzugsgebiete für sich und seine Familie, und trifft in Bayern nur aufgrund der nicht vorhandenen großen Wälder öfter auf Siedlungen. Es sind weder Kraft und Stärke noch Intelligenz und Weisheit, die ihn vor seinen Verfolgern oder Feinden schützen, sondern einzig seine Scheuheit ist sein Schutz vor Menschen und Gefahren.

Ankerbeispiel:

  • MM18.05.06 (Braunbär JJ2 zieht es nach Bayern): „Der Bär ist eigentlich ein sehr scheues Tier. (…) Normalerweise schrecken Bären vor allzu viel Öffentlichkeit zurück, und leben teilweise monatelang in Wäldern, ohne jemals einem Menschen zu begegnen.“

Beispiele für die Darstellung des Bären als scheues Wildtier (Trennkriterien):

  • Tätigkeiten: davonlaufen, hetzen (im Sinne von davonlaufen), sich zurück ziehen, galoppieren, sich verstecken, verfolgt werden
  • Eigenschaften: Angst vor den Jägern, scheu, geländegängig, beweglich, schwer zu Gesicht zu bekommen
  • Bezeichnungen und Namen: Irrwisch, scheues Wildtier, scheues Tier, verängstigtes Tier etc.

Der Bär als junger Wilder 

„Der Braunbär ist gewissermaßen in seiner Pubertät“ (MM 18.05.06). Er ist ein sehr „vorwitziger Tier“, „zeigt sich ausgesprochen neugierig und hat nicht die Scheu vor dem Menschen, die es eigentlich bräuchte“ (MM 18.05.06). Der Bär wird oft auch als „junger unerfahrener Bär“ (MM 22.05.06) bezeichnet, der seinen Platz in seiner Welt noch nicht gefunden hat. Er ist auf Reviersuche, und somit nur auf dem Durchzug. Er verweilt nie lange an einem Ort, sondern ist auf einer Suche. Er sollte eigentlich ein scheuer Bär sein, doch ist er noch nicht alt genug, um zu begreifen, dass das besser für ihn wäre.

Es wird aber sehr oft deutlich darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten nur eine Phase seines Lebens ist. Diese Phase sind seine „Rabaukenjahre“ (MM 18.05.06). Seine Taten sind somit durch seine Jugend zu entschuldigen, da er es nicht besser wusste. Die logische Konsequenz daraus ist somit meist nicht dass der Bär erschossen werden sollte, sondern er muss erzogen werden. Sein noch falsches Verhalten soll ihm abgewöhnt werden bevor er es sich dauerhaft angewöhnt hat. Er wird jedoch keinesfalls als groß und gefährlich dargestellt, sondern „vor dem kleinen Scheißer braucht wirklich niemand Angst zu haben“(MM 23.05.06). Jedoch wird auch erwähnt, dass der junge Bär dadurch, dass er seine Kraft noch nicht einschätzen kann, durchaus zur Gefahr für den Menschen werden kann. Er hat sein Verhältnis zum Menschen noch nicht definiert beziehungsweise die Scheu vor dem Menschen noch nicht gelernt. 

Sein Verhalten ist „keinesfalls etwas Außergewöhnliches“ (MM 23.05.06), sondern kann auch bei anderen Bären beobachtet werden. Immer wieder wird auf seine Mutter hingewiesen, die ihm dieses falsche Verhalten beigebracht hat, und ihn somit „falsch erzogen“ hat.

Ankerbeispiel:

  • SZ 26.06.06 (Bruno und die falschen Fährten): „Sie haben hier schon ihre Erfahrungen mit Jungbären wie Bruno gemacht: geländegängig und frech. Das, was Experten vom World Wide Fund for Nature (WWF) und Politiker jetzt Problembär nenen, nennt Sorger einen Halbstarken. Er kenn diese Typen, von der Mutter schlecht erzogen, dann verscheucht, plötzlich auf sich selbst gestellt, ziehen sie los. Da sei Bruno alias JJ1 keine Ausnahme.“

Beispiele für die Darstellung des Bären als junger Wilder (Trennkriterien):

  • Bezeichnungen und Namen: Rabauke, Streuner, junger Wilder, junger unerfahrener Bär, vorwitziger Tier
  • Tätigkeiten: seinen Häschern ein Schnippchen schlagen, seine Verfolger narren, streunen, Revier suchen, Erfahrungen sammeln, die Welt kennen lernen, auf Steifzug sein /gehen
  • Eigenschaften: vorwitzig, neugierig, unerfahren, jung, jugendlich stark

Der Bär als gefährliches Raubtier 

„Raubtier reißt Schafe – Bevölkerung beunruhigt“ (MM 22.05.06). Der Bär wird sehr oft, vor allem von Geschädigten, als gefährliches Raubtier bezeichnet. Einerseits wird hier darauf hingewiesen, dass Bären im Allgemeinen für Mensch und Tier eine Gefahr darstellen. Sie reißen Tiere zwar nicht aus purer Mordeslust und Grausamkeit, aber sie sind durchaus Tiere, die mit Menschen nicht zusammenleben können ohne ihnen Schaden zuzufügen. Sie gehören zur Gruppe der Fleisch fressenden Tiere, die auch anderen Tieren absichtlich Schaden zufügen. Doch tun sie das nur um ihre eigene Existenz zu sichern. Der Bär wird als großes, starkes Tier gesehen, gegen dass jede Gegenwehr nutzlos ist. Er hat „kräftige Pranken“ (MM 23.05.06) und wiegt mindestens 200 kg.

Der Bär in Gefangenschaft ist eine Attraktion weil er Wildheit, Freiheit und Stärke symbolisiert. Er hat keine Angst vor Menschen, weil er ihnen ohnehin überlegen ist. Er wird von den Jägern nicht gehetzt, sondern er entkommt immer wieder aufgrund seiner eigenen Stärke und Gefährlichkeit, da sich die Jäger nicht nah genug an ihn heran trauen. Ihm werden keine vermenschlichenden Eigenschaften zugeordnet, vielmehr wird er als deutlich von den Menschen distanziert angesehen. Er ist weder zottelig und süß noch grausam und bösartig, sondern sein Verhalten beruht auf seiner Existenzsicherung und seiner tierischen Art.

Ankerbeispiel:

  • MM 28.06.06 (Verflixtes Pech, dass Bruno ein Problembär war): Der Bär war nicht aggressiv, aber wenn er plötzlich jemandem begegnet, kann er sich bedroht fühlen. Den Touristen, die sich am Samstag dem Tier nach einem Schafriss genähert haben, ist wie durch ein Wunder nichts passiert. Aber sie sind ein völlig unkalkulierbares Risiko eingegangen. Der Bär verhält sich so anormal, dass ein blutiges Zusammentreffen mit Menschen absehbar war. In Kochel etwa ist er nahe an einem Zelt vorbeigegangen, wo zwei Mädchen zum Glück gerade nicht drin lagen. Was wäre passiert, wenn die überraschen rausgekommen wären?“

Beispiele für die Darstellung des Bären als gefährliches Raubtier (Trennkriterien):

  • Namen und Bezeichnungen: Raubtier, gefährliches Wildtier
  • Eigenschaften: gefährlich, hungrig, nicht zu unterschätzen, stark, dem Menschen überlegen, unberechenbar, groß
  • Tätigkeiten: reißen, töten, fressen

Der Bär als Bestie/Killer 

„Der Bär ist los“ (MM 22.05.06) und „treibt sein Unwesen“ (MM 18.05.06). Für viele Leute stellt sich der Bär auch eindeutig als grausame Bestie dar. Er ist ein „Feind“ des Menschen (SZ 20.06.06) und er hat keinerlei Scheu vor Menschen, sondern dringt absichtlich in ihre Gebiete ein. Er zerstört mutwillig ihr Eigentum ohne Rücksicht auf Verluste. Er reißt die Schafe nicht nur sondern er „geht ihnen an die Kehle“, „richtet sie zu“, „frisst nur ihre Herzen und Lebern“ (SZ 23.05.06) und „lässt den Rest liegen“. Überall hinterlässt der „Täter“ am „Tatort“ Blutspuren und Zeichen seiner „brachialen Gewalt“. Es wird im Gegensatz zum gefährlichen Raubtier nicht nur seine Kraft sondern vor allem auch die Gewalt, mit der er vorgeht, hervorgehoben. Tiere tötet er absichtlich und aus Grausamkeit. Nicht etwa der Hunger sondern nur sein Trieb zu Töten sind seine Gründe für die Tat. Die Schafe sind die Leid tragenden und „fallen dem Bären zum Opfer“ (MM 22.05.06). Er zerstört wertvolles Eigentum und ist für Leib und Leben gefährlich. Die Jäger haben Angst vor der Bestie und müssen ihr Leben fürchten beim Versuch ihn einzufangen. Dass er ein freies Tier ist hat keinen Sinn, denn er erfüllt keinerlei Zweck. Er ist eine große Gefahr gegen die sich zu schützen man kaum in der Lage ist. Der Bär als Bestie unterscheidet sich von gefährlichen Raubtier also dadurch, dass seine Handlungen eindeutig negativ von den Menschen bewertet, beziehungsweise die Handlungen vermenschlicht werden und damit dem Bären ein böser Wille zugeordnet wird.

Ankerbeispiel:

  • SZ 23.05.06 (Ungeliebter Heimkehrer): „Wir haben es ja gleich gesagt, sagt die Bauersfrau aus Farchant, Einen Bären der unsere Schafe so zurichtet, kann man nicht frei herumlaufen lassen.“ … „Der Bär muss die Tiere unglaublich gehetzt haben, sagt der Bauer und zeigt auf einen Schuppen, an dem Fellfetzen hängen und Blutspuren zu sehen sind. Überallhin haben sich die Schafe zu flüchten versucht, nur fünf von elf sind dem Bären entkommen. Vieren isst der Räuber an die Kehle gegangen und hat ihnen die Bäuche aufgerissen. Gefressen hat der nur die Herzen und Lebern, sagt Wohl, den Rest hat er liegen lassen. Zwei weitere Schafe sind so schwer verletzt, dass Wohl sie notschlachten muss. Da muss was geschehen, sagt Wohl, die müssen den Bären wenigstens einfangen und an einem Ort aussetzen, wo er nichts mehr anrichtet. Josef Öffner sieht das genauso. Ihm wäre es am liebsten wenn sie den Bären abschießen. (…) Aber das Tier muss unvorstellbar gelitten haben, sagt Öfner. Der Bär hat ihm direkt in den Kopf gebissen, so etwas Grausames hab ich noch nie gesehen.“

Beispiele für die Darstellung des Bären als Bestie/Killer (Trennkriterien):

  • Bezeichnungen: Bestie, Killer, Monster, Schafkiller, mordende Bestie, Räuber
  • Eigenschaften: grausam, furchteinflößend, boshaft, böse, mutwillig
  • Tätigkeiten: überfallen, Schafe übel zu richten, gefürchtet werden, wüten, verwüsten, sein Unwesen treiben, zerstören, ein Gemetzel hinterlassen, metzeln, heimsuchen, zuschlagen, etwas (z.B. Unheil) anrichten, mit großer Wucht einhauen